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Umweltfreundlicher Tourismus

Umweltfreundliches Reisen wird für viele Touristen immer wichtiger. Im Zuge der Recherche über nachhaltige Tourismusformen für meine Vorwissenschaftliche Arbeit besuchte ich das ibis und Novotel Wien Hauptbahnhof.

Ich machte mich am Donnerstag, dem 17. Februar 2022, auf den Weg nach Wien. Dort durfte ich auf Einladung von Accor im ibis Wien Hauptbahnhof, wie auch das angrenzende Novotel mit dem Österreichischen Umweltzeichen zertifiziert, übernachten. Die Kriterien für die Auszeichnung eines Hotels mit dem Umweltzeichen sind auf 76 Seiten niedergeschrieben. Der Prozess der Zertifizierung ist ähnlich wie bei unserer Schule: Es gilt, je nach Ausstattung und Angebot eine gewisse Punkteanzahl zu erreichen. Umweltzeichenhotels wird unter anderem vorgeschrieben, dass der Strom nur aus 100 % erneuerbaren Energiequellen bezogen werden darf, 80 % der Leuchtmittel energieeffizient sind, die Wassernutzung nachhaltig ist, sie keine Schädlingsbekämpfungsmittel einsetzen, der überwiegende Anteil an Getränken in Mehrweggebinden eingekauft werden und dass die Eier zumindest aus Freilandhaltung stammen.

Am Freitag bekam ich von Nathalie Kröger, unter anderem zuständig für Corporate Social Responsibility, eine Führung durch das ibis und Novotel. Insgesamt 577 Zimmer hat die Hotelkombination, wobei 311 auf die Mittelklassekette ibis entfallen. Die beiden Hotels sind Teil von Accor, der französische Konzern ist mit 40 Hotelmarken, 5.200 Hotels in 110 Ländern und mehr als 260.000 Mitarbeitenden Marktführer in Europa.

Die Führung begann mit den Meetingräumen des Novotels: Hier wird Unternehmen neben klassischen Räumen auch von der Natur inspirierte Räume an. So ist einer davon an die Unterwasserwelt angelehnt, was sich nicht nur an der Einrichtung bemerkbar macht, sondern auch daran, dass der Teppichboden aus recycelten Fischernetzen besteht. Auch anderweitig wird in diesen Räumen auf die Umwelt geachtet: Standardmäßig gibt es in diesen Räumen keine Flipcharts, anstelle dieser gibt es beschreibbare Wände.

Wir setzten die Führung mit dem Urban Garden fort, in dem verschiedenste Gemüsesorten und Kräuter angebaut werden. Als nächstes zeigte Nathalie mir die Saunalandschaft und das Fitnesscenter, beide in der 19. Etage aufzufinden. Von dort hat man einen schönen Ausblick auf Wien und den Hauptbahnhof. Nicht gerade umweltfreundlich sind der Wasserspender und die dazugehörenden Plastikbecher, eine Umstellung sei hier aber aus hygienischen Gründen schwierig.

Weiter ging die Führung mit der Besichtigung eines Zimmer des Novotels. Ein Manko in den Zimmern sind die Pflegeprodukte, wie Shampoo oder Seife, diese befinden sich in kleinen Kunststoffflaschen, was unnötigen Müll verursacht. Hier erfolgt aber vonseiten Accor eine Umstellung in den nächsten Monaten auf Pumpspender, so wie sich diese bereits im ibis befinden. Bisher waren hier dem Hotel durch die Vorgaben des Mutterkonzerns die Hände gebunden.

Ansonsten wird im Zimmer stark auf die Umwelt geachtet, das Holz für das Bett ist FSC-zertifiziert und die Füllung der Bettdecke und der Kopfkissen wird aus recycelten Flaschen hergestellt. Die Reinigungsmittel werden vom US-amerikanischen Großkonzern Diversey bezogen. Trotzdem hat Accor hier Anreize geschaffen, dass Hotelbetreiber auf die nachhaltige Linie des Herstellers zurückgreifen. Für diese gibt es nämlich verhandelte Preise, für konventionelle Produkte aber nicht, was dazu führt, dass die nachhaltigere Variante mitunter günstiger ist.

Weiter ging die Führung mit Michael Kovaschitz, dem Junior Food & Beverage Manager. Er erzählte von den Schwierigkeiten, die ein Umstieg von Plastikstrohhalme auf umweltfreundlichere Alternativen mit sich bringt. Er stieß bei der Suche nach diesen auf drei Alternativen: Eine aus echten Strohhalmen, eine aus Maismehl und eine aus Papier. Richtig zufrieden ist er mit keiner Alternative. Verwendet werden diese aber nur bei Cocktails, Gin Tonic und Aperol. Wir besprachen auch das Problem, dass aufgrund von Accors Vorgaben Hotelbetreiber meist nur zwischen wenigen Lieferanten wählen können. Trotzdem konnte das Novotel in meinen Augen eine gute Balance zwischen nachhaltigen Produkten und klassischen herstellen. Der Wein kommt fast nur aus den umliegenden Anbaugebieten, mit Ausnahme von Champagner und Prosecco, die herkunftsgeschützt sind. Bier wird unter anderem von der Brauerei Schwechat, die durch die Brauunion Teil des niederländischen Heineken-Konzerns ist, zugekauft. Aufgrund der kurzen Lieferwege (nur rund zehn Kilometer) ist die Wahl in meinen Augen trotzdem gut gelungen.

Als nächstes durfte ich mich mit Michael Hahn, dem Executive Chef, über das Essensangebot unterhalten. Er setzt bei Frühstücksbuffet – sofern möglich – auf regionale Produkte. Im Urban Garden des Hotels werden vielerlei Gemüsesorten angebaut, darunter Kohlrabi, Fenchel, Sellerie und Tomaten, die dann am Buffet oder im Restaurant gereicht werden. Michael versucht, Fleisch- und Fischprodukte aus besseren Haltungsbedingungen zu kaufen, generell lasse der Fleischkonsum merklich nach. Auch bei Eiern wird auf die Haltung geachtet, im Novotel werden nur Bio-Eier aufgetischt, im ibis nur welche aus Freilandhaltung. Brot und Gebäck wird von einer Bäckerei im Norden Wiens zugekauft, welche 80 % ihrer Rohstoffe aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometer bezieht. Auch der Executive Chef versucht, Produkte bevorzugt regional (max. 100 km) einzukaufen, was bei einigen Produkten wie den Fairtrade-Bananen oder Lachs nicht möglich ist. Lachs gehöre für viele Gäste einfach zum Hotelerlebnis dazu, erzählte er. Auf meine Frage, was mit den Resten vom Frühstücksbüffet passiert, antwortete er, dass sich daran die Mitarbeiter bedienen dürften, sollte zu viel übrigbleiben, werden „Überraschungssackerl“ über TooGoodToGo kostengünstig verkauft.

Anschließend gab mir Anja Florea, die Cluster Resident Manager, eine Führung hinter den (/die? Ich hab das Gefühl, es geht beides) Kulissen. Sie zeigte mir unter anderem die Belüftungsanlage des Hotelkomplex, auch hier ist man auf den Umweltschutz bedacht, indem die Klimaanlage erst ab einer gewissen Außentemperatur läuft, zudem wird sie bei einem geöffneten Zimmerfenster automatisch abgeschaltet. Zum Schluss durfte ich noch Nicole Rofaeil, die Cluster Resident Managerin, kennenlernen, die mir wichtige Kennzahlen zum CO2– und Wasserverbrauch und dem Abfallaufkommen lieferte. Beim Vergleich dieser Werte mit den Durchschnittswerten kann festgestellt werden, dass ein Gast in der Hotelkombination nur zwei Drittel der CO2-Emissionen eines durchschnittlichen Hotels verursacht. Auch beim Wasserverbrauch konnte Einsparungen getätigt werden, so wurde im Vergleich zu Accors Durchschnittswerten aus dem Jahr 2012 eine Reduktion von rund 50 % erreicht.

Nach drei Stunden neigte sich die Führung dem Ende zu und ich verabschiedete mich von Nathalie, ehe ich mich auf dem Weg zum Hauptbahnhof machte. Das ibis und Novotel Wien Hauptbahnhof versucht, seine Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten. Dies erreicht es durch kurze Lieferwege, regionale und saisonale Produkte, Vermeidung von Lebensmittelabfällen, einen eigenen Garten, viel Engagement und einer guten Leitung. Generell habe ich das Gefühl, dass die Hotelleitung gerne weitere Schritte in Richtung Nachhaltigkeit setzen möchte, ihr aber durch Vorhaben von Accor die Hände gebunden sind. Hier wäre Accor gefragt, die Richtlinien zu lockern und den Hotelbetreibern mehr Freiheiten zu geben, um für die Gäste ein nachhaltigeres Erlebnis zu schaffen.

Dank gilt Tamara Schwarz-Speckbacher, Media Relations Manager bei Accor, für das Organisieren der Führung, der Hoteldirektorin Heike Fehrmann und allen Mitarbeitenden, die mich bei meiner Recherche unterstützten. Es ist nicht selbstverständlich, dass man von fünf Mitarbeitenden mit offenen Armen empfangen wird und drei Stunden lang eine Führung durch ein Hotel bekommt. Das Hotel pflegt einen sehr offenen Umgang mit der Thematik, getreu dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.

Julian Jenny, 8ar